Fitzcarraldo meets Ötzi

Ein Ausflug führte uns vor 9 Tagen von Meran nach Naturns zu dem kleinen Kirchlein St. Prokulus mit seinen erstaunlich modern anmutenden Fresken aus dem 8. Jahrhundert

 

und von dort ins Schnalstal bis zum schon verschneiten Talende bei Kurzras auf 2000 m Höhe – eine hässliche Ansammlung überdimensionierter, um diese Zeit verwaister Hotels.

Etwas abseits ein ungewöhnliches Denkmal, mit dem die dankbaren Bewohner des Schnalstals den ‚Tourismuspionier‘ Leo Gurschler ehrten.
 
 
 
 
Ziemlich verstörend, dass dem ein Denkmal errichtet wurde, der die Erschliessung eines unberührten Alpentals für den Massentourismus und die Verschandelung der Landschaft mit einer Retortensiedlung rund um seinen elterlichen Hof betrieben hatte. Noch verstörender, dass nicht nur der Überfigur gehuldigt wird, die dem Tal die Seilbahn geschenkt hat, sondern ganz unmittelbar dem Bagger als Werkzeug der Naturzerstörung. Kaum denkbar, dass den ‚Visionären‘ hiesiger Infrastrukturprojekte wie Stuttgart 21 oder der Nordwestlandebahn in Frankfurt ein Denkmal gewidmet wird…
Immerhin hat mich dieses Denkmal so beschäftigt, dass ich im Internet recherchierte und auf eine faszinierende und tragische Geschichte stiess: Leo Gurschler hatte bereits als Jugendlicher die Vision, den nahegelegenen Gletscher mit einer Seilbahn für den Skitourismus zu erschliessen. Er sammelte das notwendige Kapital für den Bau einer Seilbahn auf die 3212 m hohe Grawand und fuhr in einer abenteuerlichen tagelangen Aktion persönlich einen Bagger über Felsen und Gletscher auf den Berg. Nach Eröffnung der Bergbahn 1975 baute er Kurzras, den Ort seines elterlichen Hofs, zu einem Feriendorf aus, geriet nach einigen erfolgreichen Jahren in finanzielle Schwierigkeiten, musste Konkurs anmelden und beging im Alter von 36 Jahren Suizid.
Mich erinnert diese Geschichte an den grossartigen Film Fitzcarraldo. Während Gurschler einen Bagger über Saumpfade und Gletscher steuerte, um seinem abgelegenen Alpental den Massentourismus zu bringen, liess Fitzcarraldo ein Schiff über einen Berg ziehen, um seiner abgelegenen Urwaldstadt Caruso und die Oper zu bringen. Obwohl kein grosser Freund der Oper, ziehe ich sie Feriendörfern aus der Retorte und Massentourismus doch vor. Und die Arien in Fitzcarraldo sind einfach grossartig!

PS: Im Gletscher hoch über dem Ende des Schnalstals wurde Ötzi entdeckt, der jetzt in einer Kühlkammer im Museum in Bozen liegt. Eine dünne Eisschicht verleiht ihm das Aussehen eines glasierten Rehrückens. Deutlich respektabler wirkt er in der Rekonstruktion:

 

 

 

 

Akademische Würdigung

Die University of California UCLA Anderson School of Management beschäftigt einen eigenen Creative Director, Britt Benston. Ein Werbefachmann, der unter seinen Projekten den folgenden Spot aufführt:

http://youtu.be/iGB-EmgWF-Y

 

Britt verwendete mit meiner Erlaubnis eines meiner Fotos auf einer Website der UCLA Anderson:

http://www.anderson.ucla.edu/degrees/mba-program/admissions.

Es ist eines meiner beliebtesten Bilder bei Flickr, im November 2012 während des AHA-Kongresses entstanden und noch am gleichen Abend mit dem iPad ‚entwickelt‘ und gepostet: Die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles von Frank Gehry. Ich hatte damals sogar ein Konzert besucht, um den eindrucksvollen Konzertsaal sehen zu können, leider Fotografierverbot, und kaum hatte ich betont unauffällig das iPhone aus der Tasche gezogen, stand auch schon eine Aufsichtsperson neben mir…

 

 
noch ein paar andere Bilder der Walt Disney Concert Hall:
 
 
 
 
 
 
 
 

 

Im Zeichen des Verdachts einer verborgenen Wirklichkeit

Helmut Lethen schreibt in „Der Schatten des Fotografen – Bilder und ihre Wirklichkeit“: Die Durchblicker halten sich bei Glanz, Verführung und Schwerkraft der Dinge, Ereignisse und Personen nicht lange auf. Sie arbeiten im Zeichen des Verdachts einer verborgenen Wirklichkeit, die sie in abstrakten Urteilen bereits kennen.

 

LL Cool J von Kehinde Wiley (LL steht für: Ladies love)

Portrait of Mnonja von Mickalene Thomas, Strass, Acryl und Emaille auf Holz

Toni Morrison von Tony McCurdy
 

Die Tatsache, dass diese Werke in ehrwürdigen Museen hängen, der National Portrait Gallery und dem Smithonian American Art Museum, nährt den Verdacht, dass sich hinter dem, nun ja: doch etwas banalen Realismus, ok: in einem Fall sogar mit Strass aufgewertet, ebenfalls eine verborgene Wirklichkeit verbirgt. Kunst?

 

Hier erkennt der Arzt, eine ganz besondere Spezies des Durchblickers, allerdings sofort Zeichen einer anderen verborgenen Wirklichkeit, und sein gar nicht so abstraktes Urteil lautet: Wenn du nicht mit dem Rauchen aufhörst (Aschenbecher!), mit der salz-, zucker-, fett- und kalorienreichen Ernährung, nicht abnimmst und weiter so viel rumsitzt, bist du bald tot (Herzinfarkt!) und wirst ausgestopft in einem Museum ausgestellt. Als moderne Kunst. Geh' wenigstens vorher nochmal zum Friseur! Sagt PL Cool Doc. (PL steht für: Patienten lieben)

 

Woman Eating von Duane Hanson

 

 

Sliding Rocks Demystified.

 

Sliding rock auf der Racetrack Playa, Death Valley

Bei unserem ersten Besuch im Death Valley vor 15 Jahren faszinierten uns die sliding rocks der Racetrack Playa so sehr, dass wir 5 Jahre später die zweistündige Fahrt über eine holprige unbefestigte Sandpiste zu dieser Sehenswürdigkeit wiederholten. Wie die langen Schleifspuren entstehen, die die Felsbrocken hinter sich herziehen, war bisher unbekannt. Gerade das machte sie besonders interessant.

Heute fand ich in der FAZ einen Hinweis auf eine wissenschaftliche Publikation, die das Geheimnis gelüftet hat:

Link

Übrigens: Ersatzrad und Werkzeug nicht vergessen, wenn man die asphaltierten Strassen verlässt! Auf beiden Touren durchs Death Valley über unbefestigte Strecken ging uns ein Reifen kaputt… Und dass die Tankstelle in Beatty, Nevada, den Reifen flicken konnte (oder sogar einen neuen vorrätig hatte, so genau erinnere ich mich dann doch nicht…), war damals mein nützlichstes Geburtstags“geschenk“.

 

Fotografiert mit einer Hasselblad XPan.

 

size matters

Habe mir mal heute das neue iPhone angesehen. Schon für die normale (kleine) Version braucht man, was die Amerikaner „deep pockets“ nennen. Und das nicht nur wegen des Preises…

From Dawn til Dusk…

…eine kleine Variation des Titels eines Splatter-Movies, welches ich immer einmal sehen wollte…

Wann ergibt sich schon mal die Gelegenheit, über dem Nordatlantik zu bloggen? Vielleicht in der Nähe der Stelle, an der die Titanic den Eisberg rammte? Und, jetzt wird meine Frau schimpfen, mich von dem pausenlosen Kindergeschrei im Flugzeug abzulenken?

Der Eingang zum National Museum of the American Indian an der Mall weist nach Osten, wird also nur morgens von der Sonne beleuchtet. Grund genug, einmal vor Sonnenaufgang aufzustehen…

 

Kapitol bei Sonnenaufgang

Gegenüber das Washington Monument bei Sonnenaufgang…

…und schliesslich das National Museum of the American Indian

 

Wenn man so früh schon auf ist, bekommt man vielleicht sogar eine Karte für das Washington Monument. In 18 Jahren und auf 11 TCT-Kongressen war ich noch nie auf dem Obelisken – jetzt hat es beim ersten Versuch geklappt!

 

Blick auf die Mall vom Obelisken im morgendlichen Gegenlicht. Rechts in der Bildmitte – das Donut – ist das Hirshhorn Museum, dahinter das National Air and Space Museum – angeblich das meistbesuchte Museum der Welt, dahinter das National Museum of the American Indian. Links unten das National Museum of Natural History, dahinter die National Gallery of Art mit (dahinter) dem East Wing des Architekten I. M. Pei (u. a. Pyramide des Louvre). Ein Buch über ihn, entdeckt auf einem früheren TCT-Kongress in Washington, hatte mein Interesse an Architektur geweckt…

WW2 Memorial, Reflecting Pool und Lincoln Memorial vom Obelisken

 

Auf dem Rückweg schnell mal in die Main Hall des National Museum of Natural History reingeschaut:

 

Künstlerische Freiheit: Was hier weiss ist, ist in Wirklichkeit dunkelgrau. Diese high key Aufnahme bringt die Details des Elephanten zum Vorschein…

 

Dann zum TCT-Kongress… Mich vergewissert, dass der Allen-Test vor radialer Punktion wirklich obsolet ist. Eine Session zu atypischen Infarktursachen besucht, sehr interessant. Eine Session zu einem Studienmedikament, Vorapaxar, welches wir mit geprüft hatten, eine zu Losmapimod, welches wir prüfen werden… PCI von Hauptstammstenosen… Dann noch einmal ein Blick auf die Kunstwerke des Convention Centers geworfen…

 

 

 
Schnell zum Hotel, was Bequemes angezogen, und dann wieder zur Mall, um zu erkunden, ob das Jefferson Memorial bei Sonnenuntergang und in der blauen Stunde anschliessend ein gutes Motiv abgibt. Ganz schön weit zu laufen, nächstes Mal werde ich checken, wie das mit den überall ausleihbaren Fahrrädern funktioniert…
 
Das Jefferson Memorial zeigt nach Norden, Richtung Obelisk und Weisses Haus. Optimale Beleuchtung vielleicht abends Ende Juni… Ausserdem war ich zu spät: Einmal das Objektiv gewechselt und die Sonne war weg.
 
Jefferson Memorial bei Sonnenuntergang
 
 
Palladio… Hadrians Pantheon… Athen… Diese Ästhetik hat Jahrtausende überdauert und beeindruckt immer noch.
 
Einer weiteren Referenz an die alte Welt und an eine jahrtausende alte Tradition begegnete ich heute in der Metro. Eine so geistreiche und witzige Werbung (links!) macht einfach Spass!
 
„Offer an olive branch across the aisle, or at least an olive chip.“ …was wäre das iPhone ohne Kamera?
 

Pause mit Goethe und Heart Beat

Wenn ein Tag auf einem kardiologischen Kongress in den USA mit einem Goethe-Zitat beginnt, muss das doch ein guter Tag werden!

 

Das Zitat fand sich auf einer Sonderausgabe des Scientific American „Promoting Cardiovascular Health Worldwide“, herausgegeben von Valentin Fuster, einem sehr angesehenen Kardiologen, der Wesentliches zur Erforschung der Atherosklerose beigetragen hat und gestern in einer Keynote Lecture über sein persönliches praktisches, soziales Engagement im Kampf gegen Herzkrankheiten berichtet hat: Arbeit mit Schulkindern inspiriert von der Sesamstrassen-Methode, Erwachsenenarbeit mit Hilfe zur Selbsthilfe inspiriert von den AA, und Verbesserung der Therapietreue durch Förderung der Polypill.

„Knowing is not enough, we must apply.

Willing is not enough, we must do.“

 

Jetzt habe ich eine unbeabsichtigte Pause, weil der Saal der Mittags-Session, die ich besuchen wollte, überfüllt ist und niemand mehr rein darf.

Auf dem Weg durch das weitläufige Washington Convention Center, um von einer zu einer anderen der zahllosen parallelen Veranstaltungen zu gelangen, kommt man zwangsläufig an moderner Kunst vorbei, häufig riesige Werke, einfach unübersehbar. Wenn auch bisweilen von Tafeln verstellt…

 

Evangelista, 1999, Acryl auf Leinwand, Bernard Williams, Chicago IL 1964

Tribute, Öl auf Leinwand, 2002, Hung Liu, China 1948

 
Merkwürdig, dass sich von den sicherlich 10.000 anwesenden Kardiologen niemand für diese im konkreten Sinne des Wortes „naheliegende“ Ausstellung interessiert. Wo Kardiologen doch eine extrem visuell orientierte Profession sind: EKGs, Echos, Röntgen, Katheterfilme. Aus dem Internet wusste ich, dass das Convention Center selbst mit seiner kuratierten Kunstsammlung wirbt – in bester amerikanischer Manier: Grösste Kunstsammlung eines Konferenzzentrums in den USA. 4 Millionen $ wert, wow! Best kept secret…
 
Meine Frage, ob es vielleicht eine Broschüre zu den ausgestellten Werken gibt, löste bei den beiden alten Damen am Info-Desk ein bedrohliches Stirnrunzeln aus. Immerhin erinnerte sich eine, dass es tatsächlich irgendwo so etwas geben müsse. Sie wolle sich erkundigen. Bei der nächsten Nachfrage: Das Büro, in welchem die Brochüre zu finden sein muss, sei sonntags geschlossen. Beim dritten Besuch wurde ich erst wieder vertröstet, dann zurückgerufen und mir mit einem Strahlen ein schöner Plan mit Erläuterungen zu einigen Werken überreicht. Wird offensichtlich nicht häufig nachgefragt. Schlechtes Marketing…
 
Heart Beat, 1988, Acryl auf Leinwand von Joyce Wellman, Brooklyn NY 1949 (Ausschnitt)

 
Lingua, Bronze, Text, Licht, 2003, Jim Sunborn, Washington DC, 1945